Lesen Sie hier einen Textausschnitt aus dem 12. Kapitel des dritten Buches
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Wenig später brachen die vier Männer auf. Beim Abschied bemerkte Curt, dass Kosha kurz mit Manuel flüsterte, woraufhin dieser die Wohnzimmertür schloss und das Licht im Eingangsbereich löschte. Curt, der mit in den Flur getreten war, sah, dass Honradez die Männer zum hinteren Ausgang führte, dort die Tür einen Spalt öffnete und lauschend ins Dunkel spähte. Einige Minuten verhielten die Männer, standen still und unbeweglich, um dann geräuschlos und rasch im Dunkel der Nacht zu verschwinden. Curt fühlte sich beklommen, als er das mitbekam, bemühte sich jedoch, sich das nicht anmerken zu lassen.
Nachdem sie gegangen waren, meinte Honradez erklärend zu Curt: „Es ist vielleicht unnötige Vorsicht, Curt, aber Kosha sagte mir, dass er das Gefühl hatte, es seien ihnen mehrere Leute gefolgt, als er und die anderen hierherkamen. Du siehst, es gibt viel Angst hier. Es sind ja nicht nur die ‚Montoneros‘, die gefährlich sind, weil sie friedliche Gruppen als konterrevolutionäre Gegner ansehen und bedrohen, sondern auch die ‚Alleanza Anticomunista Argentina‘. Und die Regierung hat sowieso Spione und Überwacher überall …“
Er schaute Curt forschend an. „Ist wohl ziemlich aufregend und beunruhigend, mein Freund, denke ich. Tut es dir jetzt leid, dass wir uns mit Kosha und seinen Freunden getroffen haben?“ Curt hielt Manuels Blick stand. „Um ehrlich zu sein, Manuel, ich fühle mich tatsächlich etwas unsicher. Wäre doch komisch, wenn’s anders wäre, oder? Aber dennoch ist’s in Ordnung. Die ganze Reise nach und in Argentinien würde keine Urlaubsreise sein, das war mir und Gisela und auch Klaus von Vornherein klar. Und dir bin ich sehr dankbar für den gestrigen und heutigen Tag und das, was ich mit dir erleben durfte!“
Als Honradez und er wenig später in Manuels kleinen Wagen stiegen, weil Manuel ihn in die Finca bringen wollte, schob der Argentinier Curt auffallend rasch auf den Beifahrersitz und schwang sich selbst hastig hinters Steuer. Beim Anfahren raunte er: „Hast du nicht gesehen? Da standen zwei Gestalten auf der anderen Straßenseite. Schätze, euer Perrez-Navarro hat dafür gesorgt, dass dir nichts zustößt …“ Er lachte. „Oder, besser, dass er weiß, wo du warst. Und wie lange. Und mit wem.“ Curt war überrascht. Er hatte nichts bemerkt. „Glaubst du wirklich, Manuel?“, fragte er ungläubig. „Meiner Meinung nach war da niemand.“ Honradez lachte erneut. „Lieber Freund, du bist blind. Und nicht so erfahren, wie ich es leider inzwischen bin. Es waren mindestens zwei, dunkel gekleidet, direkt gegenüber meinem Haus, im Schatten der Bäume dort … Ist nicht das erste Mal. Und Nein, Curt, ich leide nicht unter Verfolgungswahn! Ich bin’s gewohnt und mache mir manches Mal sogar einen Spaß daraus, sie freundlich zu grüßen. Ich sagte dir ja schon: Die Regierung hat ein scharfes Auge auf mich …“
In der Finca angelangt, hielt Manuel direkt vor dem Eingang. Er stieg nicht aus, sondern drehte sich im Sitz Curt zu und umarmte ihn. Seine Stimme klang rau: „Leb‘ wohl, mein lieber Freund. Ich danke dir für dein Kommen, deine Freundschaft und deinen Mut. Und für deine herrliche Musik, Curt! Ich hoffe, wir sehen uns bald einmal wieder. Auf jeden Fall bleiben wir in engem Kontakt wegen der Dinge, die wir besprochen haben.“ Curt erwiderte seine Umarmung und flüsterte nur ein kurzes „Gracias, Manuel!“ Der Argentinier zog Curt daraufhin nochmals an sich, schob ihn dann energisch aus dem Fahrzeug, zog die Tür zu, wendete und fuhr in raschem Tempo davon.
Gisela saß im Zimmer auf dem Bett, ein Buch in der Hand, als Curt den Raum betrat. Sie küsste ihn zärtlich und schaute erwartungsvoll. „Und?“ Seinem Bericht hörte sie schweigend zu, äußerte lediglich mal „unglaublich!“, wenn er von dem erzählte, was Kosha Maripu geschildert hatte. Als er den Vorschlag erwähnte, den Honradez in Bezug auf die Prozesskosten gemacht hatte und davon, dass er kurz gezögert und überlegt hatte, ob er dem zustimmen könne, zog sie die Augenbrauen zusammen. Und postwendend kam ihr Kommentar: „Also hör‘ mal, Curti! Das ist doch selbstverständlich!“
Und als sie erfuhr, welche Vorsichtsmaßnahmen Honradez und die vier Besucher ergriffen hatten, als sie gingen, und dass Manuel meinte, mehrere Beobachter hätten sich auf der Straße im Dunkeln versteckt, wahrscheinlich im Auftrag von Perrez-Navarro, da hatte er Mühe, sie davon abzuhalten, augenblicklich aufzuspringen und den Dolmetscher zur Rede zu stellen. Seine immer noch vorhandenen Zweifel wegen der angeblichen Überwachung schwanden beim Anblick ihrer Empörung, und er lachte erleichtert. Woraufhin Gisela ihn anfunkelte. „Hör‘ auf zu lachen, Curt. Das ist nicht lustig!“
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